Ziel dieser multizentrischen Fall-Kontroll-Studie, deren Hauptforschungsziel die Untersuchung des Zusammenhanges zwischen Lastenhandhabung, Rumpfbeugung und bandscheibenbedingten Erkrankungen ist, ist in der vorliegenden Arbeit die Untersuchung des Dosis-Wirkungs-Zusammenhanges zwischen beruflichen psychosozialen Belastungen sowie Lendenwirbelsäule (LWS)-Prolaps und LWS-Chondrose. 286 männliche (Fallgruppe 1 = FG1) sowie 278 weibliche Probanden (Fallgruppe 2 = FG2) mit LWS-Prolaps und 145 männliche (Fallgruppe 3 = FG3) sowie 206 weibliche Probanden (Fallgruppe 4 = FG4) mit LWS-Chondrose und 901 bevölkerungsbezogene Kontrollprobanden (453 Männer, 448 Frauen) im Alter zwischen 25 und 70 Jahren wurden in den vier Studienzentren in Deutschland (Frankfurt am Main, Freiburg, Halle, Regensburg) rekrutiert. Die Kontrollpersonen wurden über die regionalen Einwohnermeldeämter gewonnen. Die berufliche psychosoziale Belastung wurde anhand des Screening-Erfassungsinstrumentes "FIT" (Fragebogen zum Erleben von Intensität und Tätigkeitsspielraum in der Arbeit) mit den beiden Belastungsfaktoren "Arbeitsintensität" und "Tätigkeitsspielraum" im Rahmen eines strukturierten computergestützten persönlichen Interviews erhoben. Die "situative Wirbelsäulenbelastung" (Druckkraft auf die untere Lendenwirbelsäule) wurde mithilfe biomechanischer Simulationsrechnungen ("Der Dortmunder") unter Verwendung der Daten einer Expertenbefragung ("TAD-Interview") bestimmt. Daraus wurde die "kumulative Wirbelsäulenbelastung" mit 10 unterschiedlichen Dosismodellen abgeschätzt. Mit dem Akaike-Information-Kriterium (AIC) wurde für die vier Fallgruppen das jeweils best anpassende Dosismodell zur Erklärung des Zusammenhanges zwischen kumulativer Wirbelsäulenbelastung und lumbaler Chondrose bzw. lumbalem Prolaps bestimmt. Die Auswahl der Confounder basierte auf biologischer Plausibilität und dem Change-in-estimate-Kriterium. Als Risikoschätzer wurden Odds Ratios (OR) und 95 %-Konfidenzintervalle (CI) mithilfe unkonditionaler logistischer Regressionsanalyse gebildet. Adjustiert wurde für Alter, Region sowie best anpassendes Dosismodell. Die Fall-Kontroll-Studie zeigt einen statistisch signifikant positiven Zusammenhang zwischen beruflichen psychosozialen Belastungen und der Entwicklung einer LWS-Chondrose bei Frauen. Es findet sich eine monotone Dosis-Wirkungs-Beziehung (OR für die höchste Expositionskategorie = 4,0; CI = 2,0-8,1). Der Zusammenhang zwischen beruflichen psychosozialen Belastungen und der Entwicklung einer LWS-Chondrose bei Männern (OR für die höchste Expositionskategorie = 2,3; CI = 1,0-5,3) sowie der Entwicklung eines LWS-Prolaps bei Männern und Frauen ist statistisch grenzwertig signifikant positiv. Es findet sich bei den Probanden mit einem LWS-Prolaps eine monotone Dosis-Wirkungs-Beziehung (OR in der zweithöchsten Expositionskategorie bei Männern = l,4; CI = 0,9-2,2; bei Frauen = l,5; CI = 1,0-2,2). Die Ergebnisse könnten erklärt werden über Selection-Bias und unzureichende Operationalisierung der psychosozialen Belastung durch nur zwei Belastungsfaktoren. Die vorliegende Fall-Kontroll-Studie findet einen Zusammenhang zwischen den beruflichen psychosozialen Belastungen und sowohl der Entwicklung eines LWS-Prolaps als auch einer LWS-Chondrose bei Männern und Frauen. Der Zusammenhang zur LWS-Chondrose bei Frauen ist statistisch signifikant positiv. |